Zuwanderer als Bereicherung
Integration auf mehreren Ebenen
Die Bauern aus dem Nachbarort Großringe stehen den Neuankömmlingen zwar reserviert doch freundlich gegenüber. Die Flüchtlinge sind nicht, wie andernorts, in die Häuser der Einheimischen einquartiert worden, was häufig zu Konflikten führt.
Die Nachbarn helfen den Neubürgern: Gelegentlich verschenken die Bauern einen Sack Saatkartoffeln, geben gebrauchte Stühle und andere Haushaltsgegenstände. Die Flüchtlinge ersetzen nach Feierabend die durch den Krieg fehlenden Arbeitskräfte in der Landwirtschaft. Als Gegenleistung erhalten sie Heu und Stroh für ihr Vieh, Lebensmittel und Milch. Bezahlte Arbeit finden die Neugnadenfelder in der Moorkultivierung, beim Torfstechen und in der Erdöl- und Textilindustrie.
Lebensmittel und Herrenanzüge gegen Blasinstrumente sind die kuriosesten Tauschgeschäfte in dieser Zeit. Der 1946 gegründete Bläserchor Neugnadenfeld hat mehr Bläser als Instrumente. Dem Mangel wird auf diese Weise abgeholfen. Gemeinsames Musizieren zum Lobe Gottes hat einen hohen Stellenwert bei den Herrnhutern. Das umfangreiche geistliche und weltliche Repertoire der Bläser bereichert seitdem auch die Festlichkeiten der Nachbargemeinden und das kulturelle Leben in der Grafschaft. Die Bläserchöre in Georgsdorf, Hoogstede und Wilsum sind unter Mitwirkung der Neugnadenfelder Chorleiter entstanden.
Den Kontakt zu den Nachbargemeinden festigt Pastor Theodor Siebörger. Die Pfarrkonferenz, zu der er 1955 Vertreter von vier weiteren protestantischen Kirchen in der Grafschaft einlädt, ist der Beginn der ökumenischen Zusammenarbeit in der Region. Heute ist der Zusammenschluss aller sechs christlichen Kirchen der Grafschaft in der Stiftung Kloster Frenswegen einmalig in der Bundesrepublik.
Auch auf politischer Ebene ist die Brüdergemeine sehr sensibel: Beteiligen sich die Neugnadenfelder an den Gemeinderatswahlen, könnten sie die Alteingesessenen leicht überstimmen. Bis in die 1950er Jahre kommen auf einen alteingesessenen Bürger zwei bis drei Neubürger. Die Neugnadenfelder entsenden jedoch ab 1951 nur fünf Vertreter in den insgesamt elfköpfigen Rat der Gemeinde Großringe.
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Das Kloster Frenswegen in Nordhorn als Ort gelebter Ökumene. Die Stiftung vereint die sechs Kirchen der Grafschaft: Die evangelisch-lutherischen und die reformierten Gemeinden, die römisch-katholischen Gemeinden, die evangelisch-altreformierten Kirchen, die evangelisch-freikirchlichen Gemeinden und die Herrnhuter Brüdergemeine.
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Die Ölindustrie in der Grafschaft bietet vielen Vertriebenen Arbeit.
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1960 hat der Neugnadenfelder Bläserchor ein beachtliches Niveau erreicht. Zur Einweihung der neuen Kirche am 13. September 1959 schreitet er der Gemeinde auf dem Weg von der Barackenkirche zum Neubau am Zinzendorfplatz voran.